Handlungsempfehlungen der Energieforschungsstrategie 2010

Als Ausgangspunkt zur Anpassung und Überarbeitung der Energieforschungsstrategie dient die im Rahmen des Strategieprozesses ENERGIE 2050 veröffentlichte Energieforschungsstrategie von 2010, eine Empfehlung des Rates für Forschung und Technologieentwicklung an die Bundesregierung. Die Vision einer „Zero Carbon Society“ bestand darin, dass im Jahr 2050 Österreich aufgrund engagierter Forschung und Technologieentwicklung führend im Bereich nachhaltiger Energiesysteme ist und seinen geringen Energiebedarf fast vollständig mit erneuerbaren Energien deckt.(1)

Neben der massiven Steigerung der energierelevanten Forschung zur Entwicklung neuer Technologien und radikaler Innovationen bis hin zur Marktreife, bedurfte es bereits damals einer umfassenden Betrachtungsweise, damit seitens der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik maßgebliche Beiträge zur Erreichung der damals gesteckten Ziele geleistet werden konnten. Diese sollte nicht nur die Handlungsnotwendigkeiten im Bereich des nationalen Forschungsförderungssystems im engeren Sinn betrachten, sondern darüber hinaus auch verschiedene andere Bereiche, die direkt oder indirekt von hoher Relevanz für die Energieforschungsentwicklung in Österreich sind.

Handlungsebenen

Handlungsebenen der Energieforschungsstrategie (Quelle: Energieforschungsstrategie 2010)

Im Zuge des breit diskutierten Strategieprozesses von 2010 und nach eingehender Analyse der Zielsetzungen der Umwelt-, Energie- und Technologiepolitik wurden folgende Empfehlungen abgeleitet:

1. Nationales Forschungsförderungssystem

Klare Steigerung des Energieforschungsbudgets. Entsprechend den europäischen Beschlüssen im Zusammenhang mit den Klimazielen und dem SET-Plan sind auch die nationalen Energieforschungsausgaben der öffentlichen Hand deutlich zu erhöhen. Um in das europäische Spitzenfeld vorstoßen zu können, empfiehlt der Rat eine kontinuierliche Erhöhung der jährlichen Ausgaben für F&E im Bereich Energie auf mindestens 150 Millionen Euro bis 2013.

Mehr Kontinuität und Planungssicherheit bei der Forschungsförderung. Zur Schaffung von stabilen, voraussehbaren Förderbedingungen mit einem bedarfsgerechten Verhältnis von Bottom-up-, Struktur- und missionsorientierten Schwerpunktprogrammen empfiehlt der Rat die Erstellung eines langfristigen Budgetierungsplans unter Einbeziehung aller relevanten Ebenen (Ministerien, Agenturen, Länder, Universitäten, Fachhochschulen etc.).

Setzen von Forschungsschwerpunkten. Als Basis dafür müssen die Ergebnisse laufender Forschungs- und Förderprogramme (z. B. APSTAP des BMVIT) hinsichtlich Energieeffizienz, Kosten, nachhaltiger Verfügbarkeit und Umweltverträglichkeit der heute bekannten Energieformen und ihrer Erzeugungsprozesse evaluiert werden. Auf diesen Erkenntnissen basierend sollen die aus heutiger Sicht vorrangig gen Forschungsthemen – Steigerung der Energieeffizienz (Gebäude, Endverbrauch, Industrie), nachhaltige Mobilitätssysteme (E-Mobility etc.), erneuerbare Energieträger, verbesserte Energieverteilung und -speicherung (Smart Grids) und die daraus entstehenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen (z. B. Raumplanung, Lebensstil etc.) – erarbeitet und eine mittel- bis langfristig gültige Roadmap erstellt werden. Eine besonders aktuelle Fragestellung ergibt sich im Zusammenhang mit dem Themenfeld „Smart Cities“, in dem sich einige der o. g. Bereiche verbinden. Nationale Themenschwerpunkte sollten dabei inhaltlich mit europäischen Prioritäten abgestimmt sein, um eine enge Vernetzung österreichischer ForscherInnen mit der europäischen und internationalen Forschungscommunity und Förderlandschaft zu erwirken.

Eine verstärkte energierelevante, erkenntnisorientierte und offene Grundlagenforschung. Insbesondere marktferne Themen mit einem höheren wirtschaftlichen und technologischen Erfolgsrisiko und einem hohen Anteil an Grundlagenaspekten werden nur in geringem Umfang wahrgenommen. Neue Ansätze und große Technologiesprünge sind hauptsächlich durch eine energieorientierte universitäre (Grundlagen-)Forschung zu erwarten und sollten in verstärktem Maße in allen relevanten Energieforschungsfeldern langfristig gefördert werden.

Ein bedarfsorientiertes Verhältnis zwischen Bottom-up-Programmen, Strukturprogrammen und missionsorientierten Schwerpunktprogrammen besonders für den Bereich der Energieforschung. Diese Instrumente sind verstärkt als programmübergreifendes Bündel zu gestalten, das eine Verknüpfung der Forschungsebenen erlaubt (z.B. BRIDGEBrückenschlagprogramm, Kompetenzzentren).

Ein durchgängiges, energierelevantes Förderportfolio von der Grundlagenforschung bis zur Marktüberleitung. Besonders die Schnittpunkte zur industriellen Übernahme müssen durch gezielte Projektförderung überbrückt werden, um die Übertragung von erworbenem Wissen aus der Energieforschung in innovative, marktfähige Technologien zu erleichtern. In Ansätzen ist ein vergleichbares Konzept im Klima- und Energiefonds der österreichischen Bundesregierung erkennbar, wo die Energieforschung durch das BMVIT vertreten wird. Eine strukturierte Zusammenarbeit der Förderagenturen (FWF, FFG, AWS, KPC und Fördereinrichtungen der Länder) muss durch verstärkte Abstimmung vorhandene Lücken im Fördersystem überbrücken.

2. Humanressourcen

Der Rat empfiehlt, einen verstärkten gesellschaftlichen Dialog über Energiefragen zu führen. Der hohe Stellenwert von FTI zur Lösung der anstehenden Herausforderungen sollte durch gezielte Informationsmaßnahmen einer breiten Bevölkerung vermittelt werden. Eine Kampagne pro Technikausbildung mit dem Ziel, mehr qualifizierte TechnikerInnen (MeisterInnen, IngenieurInnen, DiplomingenieurInnen, ForscherInnen) zu generieren, würde mehr Menschen dazu motivieren, in technische Berufe einzusteigen.

Nachwuchsförderung besonders in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Technik zu intensivieren. Beginnend mit dem vorschulischen und primären Bildungssektor sollte das Interesse an diesen Themen gefördert werden, um damit eine entsprechende weiterführende Ausbildung für Schüler und besonders für Schülerinnen interessanter zu machen. Darüber hinaus ist an Universitäten eine Erweiterung der Lehrstühle, Gastprofessuren, Stiftungsprofessuren und Assistentenstellen in den relevanten wissenschaftlichen Themenbereichen anzustreben. Energieforschungsrelevante Fachhochschullehrgänge sollten gemäß den Bedarfserhebungen eingerichtet werden. Die Einbindung von Betrieben im Hochtechnologiesektor mittels Workshops, Exkursionen etc. würde zu einem besseren Verständnis für FTI führen. Dazu sind die Ausbildungen in Berufsschulen, für Lehrlinge und betriebliche Weiterbildung im Bereich erneuerbare Energie und Energieeffizienz zu fördern.

Gezielte Erweiterung energierelevanter Weiterbildung. Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für ProfessionistInnen sollen das oft fehlende Wissen um neue Technologien, das ein Hindernis für deren Anwendung darstellt, verbreiten. Das Ziel ist eine Ausweitung des Angebots und eine gesteigerte Inanspruchnahme entsprechender Weiterbildungsangebote.

Fokussierung bestehender Humanressourcen-Programme und Programmmaßnahmen für energierelevante Themen.

3. Forschungsinfrastruktur

Entwicklung eines Energieforschungsinfrastruktur-Masterplans. Um Redundanzen auf nationaler Ebene zu vermeiden, sind relevante Strategien und Roadmaps (z. B. FTI-Strategie des Bundes, Masterplan für Umwelttechnologie, Roadmaps für spezifische Energietechnologie etc.) einzubinden. Dabei sollten insbesondere Kooperationen vorhandener universitärer und außeruniversitärer Energieforschungseinrichtungen in einer nationalen Forschungs-Allianz gefördert werden, die eine internationale Sichtbarkeit der Energieforschung Österreichs bewirken.

Neu zu entwickelnde Fördermaßnahmen zum längerfristigen Kompetenzaufbau (in Form von „Kompetenz-Labs“) in für Österreich strategisch wichtigen Energiefragestellungen. Die Kompetenzzentrenprogramme haben bereits maßgeblich zur Strukturentwicklung von marktnahen Technologiebereichen beigetragen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen sollten nun auch Strukturfördermaßnahmen gesetzt werden, die auch längerfristige, riskantere Forschung mit höherem Grundlagenanteil ermöglichen, wie sie für radikale Innovationen im Energiebereich erforderlich sind.

Verstärkte Investitionen in nationale und europäische Energieforschungsinfrastrukturen sowie die Förderung der Teilnahme an internationalen (energierelevanten) Infrastrukturprojekten. Eine Vernetzung der österreichischen Energieforschungseinrichtungen und deren Partizipation an europäischen Infrastruktureinrichtungen sind zu ermöglichen. Eine Abstimmung der nationalen Infrastrukturvor – haben mit gesamteuropäischen Vorhaben (ESFRI) durch die zuständigen Ressorts ist dabei sicherzustellen. Dies ergäbe auch die Möglichkeit für österreichische Energieforschungsunternehmen, besser im europäischen Markt verankert zu sein.

4. Internationale Zusammenarbeit

Klare Strategie und ausreichende Budgetierung bei ERA-NET, europäischen Industrieinitiativen und Joint-Programming-Beteiligungen. Eine langfristige Planung der spezifischen Beteiligungen soll es ermöglichen, gezielte Abstimmungen zwischen nationalen Programmen und europäischen Themenschwerpunkten durchzuführen. Besonders im Bereich Energieforschung ist es erforderlich, eine Abstimmung mit europäischen Initiativen zu optimieren und mögliche Lücken zwischen nationalen und europäischen bzw. internationalen Programmen zu vermeiden.

Optimale Abstimmung nationaler Energieforschungsprogramme mit für Österreich relevanten Prioritäten des SET-Plans. Der strategische Energie-Technologieplan (SET-Plan) stellt ein zentrales Element der europäischen Energieforschung dar. Es ist daher anzustreben, die österreichische Energieforschung, speziell die Themen Smart Grids, Smart Cities und Solarenergie, mit entsprechenden Mittel zu dotieren und bestmöglich in die europäischen Planungen zu integrieren, um gestalterischen Einfluss auf die Entwicklung nehmen zu können.

Ausbau bi- und multilateraler Kooperationen zur Energieforschung. Die positiven Effekte von Forschungskooperationen liegen einerseits in einem bi(multi)direktionalen Wissenstransfer und Exzellenzbildung, andererseits bilden enge Forschungskooperationen, insbesondere mit Ländern und Regionen im europäischen Raum mit einem Aufholbedarf an innovativen Energielösungen, auch die Möglichkeit für nachfolgende Industrieprojekte.

Ausbau der IEA-Forschungskooperationen. Die Kontinuität in der internationalen Zusammenarbeit mit der IEA in österreichischen Schwerpunktbereichen sollte durch eine adäquate Finanzierung österreichischer Beiträge erhalten und ausgebaut werden.

5. Innovationsförderndes Umfeld

Regelmäßige Analyse sämtlicher für Energieinnovationen relevanter Politikbereiche im Hinblick auf innovationsfördernde und -hemmende Faktoren (Vorlage zur alle vier Jahre stattfindenden IEA-Tiefenprüfung). Mit entsprechend daraus abgeleiteten Maßnahmen lässt sich der Umbau unseres Energiesystems beschleunigen. Damit entstehen mehr Chancen für innovative Energietechnologien. Angesichts der Volatilität von Energiepreisen empfiehlt der Rat wirtschaftspolitische Instrumente, die Investitionsentscheidungen für langfristige FTI–Entwicklungen unterstützen. Im Hinblick darauf begrüßt der Rat zahlreiche Maßnahmen der Energiestrategie Österreich.

Langfristige Zielvorgaben für erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz. Langfristige Ziele sollten richtungsweisend wirken und die Planbarkeit von Rahmenbedingungen für Forscher und Projektentwickler über die einzelnen Entwicklungsphasen hinweg bis hin zu einem erfolgreichen Markteintritt erhöhen.

Innovationsfördernde öffentliche Beschaffung und Auftragsvergabe. Dies hätte ein großes Potenzial, die Markteinführung innovativer Energielösungen zu beschleunigen. Die Vergaberichtlinien sollten Entscheidungen für neue und daher risikoreichere Produkte und Lösungen ermöglichen und damit das Billigstbieter-Prinzip durch ein Innovationsförderungs-Prinzip ersetzen.

6. Strategische Steuerung und Monitoring

Einsatz von Wirkungscontrolling bei der Evaluierung von FTI-Maßnahmen. Insbesondere bei thematischen Forschungsprogrammen, aber auch bei strukturellen Maßnahmen sollte verstärkt versucht werden, Erfolge und Wirkungen festzustellen und den Zielsetzungen gegenüberzustellen.

Weiterführung und Ausbau eines regelmäßigen Innovationsmonitorings im Bereich Energieforschung. Die Erhebung der wichtigsten Schlüsseldaten wie Energieforschungsausgaben, Marktentwicklungen ausgewählter Technologien und Performance der EU-Forschung (Rückflüsse etc). sind eine wichtige Grundlage für die Beurteilung von Entwicklungen und eine Erfolgskontrolle. Dieses Monitoring soll auch in Zukunft regelmäßig durchgeführt werden und die Ergebnisse samt entscheidender Erkenntnisse aus dem Wirkungscontrolling alle zwei Jahre dem Rat als Bericht vorgelegt werden.

Neue Steuerungsprinzipien für die Energieforschung im Rahmen eines Pilotprojekts zu entwickeln, das Mechanismen zur horizontalen Koordination zwischen Institutionen und Themengebieten sowohl entwickelt als auch austestet. Die Energieforschung muss hier eine Pionierrolle übernehmen, die – wenn sie erfolgreich ausgefüllt wird – für viele horizontale Politikbereiche Lösungen bereithält.

Partizipative Strategieprozesse zur Entwicklung neuer Schwerpunkte. Um starre Strukturen zu vermeiden, sollten Einschätzungen durch interdisziplinäre Expertenpanels und die Einbeziehung von Foresight-Studien und sozialwissenschaftlichen Aspekten, zur Entwicklung meist langfristiger Schwerpunkte angeregt werden.

Intensivierung der sozioökonomischen und ökologischen Forschung, um technologische Weichenstellungen bewerten zu können und die erforderlichen nichttechnischen Innovationen zu unterstützen. Im Sinne einer nachhaltigen, gesellschaftlich akzeptierten und ökonomischen Energieforschung empfiehlt der Rat, auch im Rahmen der Energieforschung technologische und gesellschaftliche Lösungsansätze für die „Energierevolution“ gleichgewichtig zu verfolgen und eine themenoffene und interdisziplinäre sozioökonomische Forschung bedarfsorientiert zu intensivieren. Dabei spielt die Betrachtung der Interaktionen zwischen den Bereichen Technologieentwicklung, Diffusion von Innovationen, rechtliche und ethische Bewertungen, staatliche Regulierung sowie soziopolitische Anreize und Barrieren eine wesentliche Rolle.

Weiterentwicklung integrativer Forschung zur Unterstützung der ökonomischen und politischen Steuerung. Eine zuverlässige Abschätzung der langfristigen Kosten und Wirkungen neuer Technologien ist Voraussetzung für die Entwicklung zukunftsweisender Strategien. Die effiziente Erfüllung klima- und energiepolitischer Ziele unter Wahrung sozialer Gerechtigkeit erfordert daher „Life-Cycle-Analysen“ für eine genaue Kenntnis der Rahmenbedingungen, die den Einsatz und die Leistbarkeit erneuerbarer Energien maßgeblich beeinflussen.

(1) Vgl. Cerveny, Gadner, Graschopf, Paula (2010): Energieforschungsstrategie 2010: Making the Zero Carbon Society Possible! (Link)